Was Bäuer:innen wirklich leisten –
und das oft unbezahlt

 

Wer in den österreichischen Bergen unterwegs ist, erlebt dort viele Leistungen der Landwirtschaft. Dennoch fehlt vielen Bergbäuer:innen die Perspektive. Dabei erbringen sie eine Vielzahl von Leistungen, die für die Gesellschaft und Umwelt von unschätzbarem Wert sind. Aktuelle Forschungsergebnisse zeigen Möglichkeiten auf, wie die Leistungen der Landwirtschaft bewertet und honoriert werden können.

Landwirt:innen machen es möglich, dass wir Erholungsleistungen wie das Wandern auf Almen, nutzen können.

Saftige Weiden, rustikale Hütten und Holzzäune … Bäuer:innen erbringen Leistungen wie Erholungswert, Biodiversität und Kulturlanschaftserhalt durch die Bewirtschaftung von Almflächen (CC Burtn).

Wenn Wanderwege entlang von Weiden, Wiesen und Bauerngärten führen, kann das sehr erholsam sein. Oft übersieht man aber, wer diese Wanderwege pflegt, die Zaunübertritte erhält und oftmals auch seinen Hof als Durchgang ermöglicht. Neben dem Alpenverein sind das oft Bäuerinnen und Bauern, die diese Erholungsleistung ermöglichen. Welche Leistungen der Landwirtschaft gibt es sonst noch, die bisher kaum honoriert werden?

Das Konzept der Agrar-Ökosystemleistungen kennt vier Gruppen von Leistungen: versorgende Leistungen, wie eine effiziente Lebensmittelproduktion, regulierende Leistungen, wie der Schutz von Boden und Wasser, kulturelle Leistungen wie die Pflege von Wanderwegen und die Bewahrung traditioneller Landschaften und als Basisleistung der Erhalt der Biodiversität. Im Unterschied zur „Multifunktionalität“ werden bei Agrar-Ökosystemleistungen die Wechselwirkungen zwischen dem Ökosystem und der Landwirtschaft stärker betont, das heißt auch Fehl-Leistungen werden berücksichtigt.

Die positiven Leistungen der Landwirtschaft sind nicht immer sichtbar und werden oft nicht angemessen honoriert. Genau hier setzt das Projekt “Mehrwert Berglandwirtschaft” an, um für die Bewertung der Landwirtschaft neue Maßstäbe zu setzen.

Das Projekt “Mehrwert Berglandwirtschaft”

Das Projekt wurde von der ARGE Berglandwirtschaft in Zusammenarbeit mit landwirtschaftlichen Betrieben der Nationalpark Kalkalpen Region durchgeführt. Ziel war es herauszufinden, wie die vielfältigen Leistungen der Berglandwirtschaft bewertet und honoriert werden können. Dafür wurden 29 landwirtschaftliche Betriebe begleitet, die als Beispiel für die gesamte Region dienen.

Kern des Projekts war die in Österreich erstmalige Entwicklung von Indikatoren, mit denen die Leistungen der Berglandwirtschaft auf betrieblicher Ebene bewertbar gemacht werden konnten. Dabei arbeiteten das Umweltbüro Klagenfurt, STUDIA Kirchberg und die HBLFA Raumberg-Gumpenstein eng zusammen.

Um betriebliche Kennzahlen zu erheben und zu analysieren kam das FarmLife-Tool zum Einsatz. Dieses enthält Modelle für die betriebliche Ökobilanzierung, um den Ressourcenverbrauch und die Umweltwirkungen der Ernährungs- und Wirtschaftsleistung zu berechnen. Außerdem wurde eine umfassende Biodiversitätsbewertung mit FarmLife und mit dem Bio-Austria Biodiversitätsrechner gemacht. Die neu entwickelten FarmLife-Indikatoren ermöglichten es, darüber hinaus die Agrar-Ökosystemleistungen der einzelnen Betriebe systematisch zu erfassen und zu analysieren.

Viele Mehrleistungen – das macht Mut

Die Ergebnisse des Projekts zeigen deutlich, dass eine standortangepasste Berglandwirtschaft einen wertvollen Beitrag für die Gesellschaft leistet. Ein zentraler Erfolg war die Verknüpfung von Agrar-Ökosystemleistungen mit der Ökobilanz der Betriebe. So konnte nachgewiesen werden, dass die Berglandwirtschaft durch die Bewirtschaftung extensiver Grünlandflächen und Almen neben dem Produktiverhalt einen wertvollen Beitrag zur Biodiversität leistet. Gleichzeitig trägt eine standortangepasste Berglandwirtschaft auch zu einer ressourceneffizienten Lebensmittelproduktion bei, da keine Nahrungskonkurrenz besteht. Bei gleichzeitiger Beweidung wird Boden und Wasser geschützt und eine ästhetisch wertvolle Landschaft erhalten. Durch das Weiterbestehen von Betrieben bleibt der  ländliche Raum funktional und vital, ob durch attraktive Arbeitsplätze in der Landwirtschaft, Wissensweitergabe und Traditionserhalt.

Dieses Konzept ermöglicht es Landwirt:innen, den gesellschaftlichen Wert ihrer Arbeit nachzuweisen. In Folgeprojekten sollen Geschäftsmodelle entwickelt werden, damit diese Leistungen auch besser honoriert werden. Neben den öffentlichen Förderungen, die eine wichtige Grundlage für den Erhalt der Berglandwirtschaft darstellen, könnten auch private Geldgeber eine Rolle spielen. Aktuell sind es vor allem CO2-Zertifikate, die zur Kompensation von umweltschädigenden Maßnahmen großer Unternehmen genutzt werden. In Zukunft könnten, wenn das Renaturierungsgesetz umgesetzt wird, auch Biodiversitätsleistungen und andere Ökosystemleistungen der Berglandwirtschaft zur Kompensation herangezogen werden.

Welche Leistungen schon erhoben/honoriert werden

Einzelne Förderungen und Angebote setzen sich bereits für Biodiversitätsleistungen, Tierwohlmaßnahmen und standortangepasste Landwirtschaft ein und damit  auch für wertvolle Agrar-Ökosystemleistungen. Das Agrar-Umweltprogramm ÖPUL leistet einen wichtigen Beitrag, dass es ökonomische Anreize gibt Maßnahmen zum Erhalt der biologischen Vielfalt, wie auch Weidehaltung oder Düngeverzicht am Betrieb umzusetzen. Daneben gibt es weitere Initiativen, wie der Bio-Austria Biodiversitätsrechner, ein Punkte-System für die Biodiversitätsleistungen von Bio-Betrieben.  Eine Erweiterung des FarmLife Tools von Raumberg-Gumpenstein zur Bewertung der Biodiversität ist momentan in der Testphase. Das Projekt “Vielfalt auf meinem Betrieb” des Österreichischen Kuratorium für Landtechnik (ÖKL), das Naturschutz-monitoring sowie die Biodiversitätsbotschafter:innen holen Leistungen der Betriebe vor den Vorhang, die sonst im verborgenen bleiben, wie seltene Wiesenarten, Nisthilfen für Vögel oder Feuchtbiotope. Und das ist nur eine Auswahl. Es gibt also bereits ein breites Angebot an Programmen, die die vielfältigen Leistungen der Berglandwirtschaft vor den Vorhang holen. Aber sind das genügend Anreize, um standortangepasste Landwirtschaft zu betreiben?

Fazit

Gerade für Junglandwirt:innen und Quereinsteiger:innen sind diese Perspektiven von großer Bedeutung. Das Bild der Landwirtschaft in der Gesellschaft hat sich längst gewandelt, von reinen Nahrungsmittelproduzent:innen zur Erfüllung vielfältiger Funktionen und Leistungen.  Es ist an der Zeit, die oft unterschätzte Arbeit auf den Höfen in einen größeren gesellschaftlichen Kontext zu stellen. Neben der gesellschaftlichen Akzeptanz ist auch die Motivation in der Landwirtschaft ein wertvolles Gut. Wie sonst kann es gelingen, dass Hofübernehmende ihre Betriebe standortgerecht weiterentwickeln und innovative Wege gehen, wie es bereits viele auf der Hofbörse “Perspektive Landwirtschaft” tun. Die Berglandwirtschaft ist und bleibt ein unverzichtbarer Teil der österreichischen Kulturlandschaft, der sich seit Jahrhunderten stets neu erfindet.

Weitere Infos

Ein Artikel von Stephan Pabst

Bild (C) Stephan Pabst

Stephan Pabst ist Agrarwissenschaftler und hat in den letzten zwei Jahren in Raumberg-Gumpenstein am Projekt Mehrwert Berglandwirtschaft mitgearbeitet. Momentan macht er eine Weiterbildung zum Agrarpädagogen und möchte dazu beitragen, dass Junglandwirt:innen weiterhin Perspektiven haben.

Das Projekt

Das EIP-Agri Projekt “Mehrwert Berglandwirtschaft” wurde von der ARGE Berglandwirtschaft in Zusammenarbeit mit der Nationalpark Kalkalpen Region von 2022-2024 durchgeführt. Mit dem Ziel die Leistungen der Berglandwirtschaft sichtbar zu machen und in Wert zu setzen,  arbeiteten 29 landwirtschaftliche Betriebe zwei Jahre lang eng mit der LEADER Region Nationalpark Kalkalpen, dem Verein nahtur, der Landwirtschaftskammer OÖ, BioAustria und dem ÖKL sowie dem Umweltbüro Klagenfurt, der FH OÖ, der STUDIA Kirchberg, der BOKU und der HBLFA Raumberg-Gumpenstein zusammen.

Quellen:

https://raumberg-gumpenstein.at/projekte/projekt-mehrwert-berglandwirtschaft.html

https://mehrwert-landwirtschaft.at/partner