Lebenswerke
Verantwortung und Leidenschaft in gute Hände geben
Die Hofübergabe ist mehr als ein formaler Akt. Sie verbindet Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft eines Bauernhofes und erfordert sorgfältige Planung, gegenseitigen Respekt und klare Kommunikation, egal ob innerhalb und außerhalb der Familie übergeben wird. Aber was tun, wenn die Nachfolge fehlt? Fast die Hälfte der Betriebsleiter*innen über 50 hat keine gesicherte Hofnachfolge. Falls sie dennoch übergeben möchten, gilt es zunächst eine geeignete Nachfolge zu finden, ein familiäres Verhältnis aufzubauen, Vertrauen zu fassen, loszulassen und das Zusammenleben langfristig zu gestalten.
Leider ist die fehlende Hofnachfolge noch immer für viele ein Tabuthema, über das kaum gesprochen wird. Dieses Tabuthema wollen wir ansprechen. Indem wir für eine frühe Auseinandersetzung mit der Nachfolge sensibilisieren. Um Lebenswerke zu erhalten im Sinne von Umwelt und Gesellschaft. Denn ein einmal heruntergewirtschafteter Betrieb, in den jahrelang nicht investiert wurde, ist nur schwer wieder zu reaktivieren und geht fast immer verloren.
Einerseits sperren so viele Höfe zu. Andererseits gibt es viele Menschen, die in die Landwirtschaft einsteigen wollen. Sind das alles Träumerchen, denen der Kontakt mit der Realität fehlt? Mag sein, dass viele junge Menschen heutzutage wieder von einem ursprünglichen Leben in und von der Landwirtschaft träumen. Auch dieser Wunsch ist angesichts vieler Entwicklungen verständlich. Sehr viele Menschen, die einen Hof übernehmen möchten, sind aber mit der Landwirtschaft vertraut durch berufliche Erfahrungen, Ausbilung oder Familie. Diese Generation bringt oft innovative Betriebskonzepte auch für kleinere und mittlere Betriebe mit und die Vision, für Gesellschaft und Umwelt einen Mehrwert zu leisten.
“Der Gesellschaft sollte es ein Anliegen sein, jede Möglichkeit aktiv zu fördern, die Bauernhöfe bewahrt und gegen das Höfesterben wirkt.”
Wer aber Land für Landwirtschaft kaufen oder pachten will, muss mit finanzstarken Akteur*innen konkurrieren – das Einkommen aus einer kleinen Landwirtschaft reicht mit besten Ideen, Fleiß und Können höchstens für das finanzielle Überleben, aber nicht zur Finanzierung eines Kaufes. Zugleich ist es für Neueinsteiger*innen hilfreich, einen bestehenden Hof einer Bäuerin oder eines Bauers zu übernehmen, von ihnen zu lernen, einige Jahre in Kooperation zusammenzuarbeiten und in einem Generationenmodell mit den Hofübergebenden zu leben. Dafür braucht es viel Entgegenkommen und Vertrauen auf beiden Seiten.
Ein Bauernhof ist so viel mehr als sein ökonomischer Wert. Eine Übergabe bedeutet Verantwortung wahrnehmen für vorhergegangene und nachfolgende Generationen, für Boden, Mensch und Natur.
Hintergründe
Eine Übergabe innerhalb der Familie ist oft nicht möglich, zum Beispiel weil die nachfolgende Generation den Betrieb nicht übernehmen kann, will, soll oder weil es keine Nachkommen gibt.
Jeden Tag schließen im Schnitt sieben Betriebe für immer Ihre Pforten. Die Gründe hierfür sind vielfältig – oft gibt es keine passende Hofnachfolge. Dies betrifft bereits ein Drittel der Betriebsleiter*innen über 50 Jahre.
Erhalte Lebenswerke!
Viele Menschen wollen Ihre Zukunft als Landwirt*in beschreiten, egal ob aus dem bäuerlichen Umfeld stammend oder als Neueinsteiger*in.
Wichtig sind praktische Erfahrung, fundiertes Wissen und die Motivation und Leidenschaft für ein Leben in und mit der Landwirtschaft! Ob die, die ihren Hof übergeben möchten, am Hof bleiben wollen oder nicht und wie ein Zusammenleben der unterschiedlichen Generationen aussehen kann, sollte zu Beginn geklärt werden.
Bestehende Betriebe, Flächen & Gebäude:
Einige Hofeigentümer*innen entscheiden sich bei der Übergabe der Betriebsgebäude und Flächen nicht für die Übertragung des Eigentums, sondern für ein Pacht-, Miet- oder Nutzungsverhältnis. Für Hofübernehmer*innen kann diese Form der Bewirtschaftung attraktiv sein. Wichtig ist, die finanziellen und zeitlichen Rahmenbedingungen ausreichend zu klären.
Weideflächen
Oft sind es nicht nur Landwirt*innen, die freie Flächen zur Verfügung stellen. Für Grundbesitzer*innen kann es attraktiv sein, die benachbarten Ziegen, Schafe, Lamas oder Gänse weiden zu lassen. Dafür können Pacht-, Miet- oder Nutzungsvereinbarungen abgeschlossen werden: wer übernimmt die Zäunung, die Wasserversorgung, den Transport?
Gründung auf der grünen Wiese
Landwirtschaft ist vielseitig und nicht immer braucht es dazu den klassischen Bauernhof, sondern die entsprechenden Entfaltungsmöglichkeiten. Wer z.B. Gemüse anbauen, Pilze züchten oder Sprossen ziehen will, braucht oft wenig Fläche. Die benötigte Infrastruktur hierfür kann sehr unterschiedlich sein – diese reicht von mobilen Containern, leer stehenden Industriegebäuden bis hin zu Flächen, auf denen die Ideen sprießen dürfen. Solch “unkonventionelle” Betriebe leisten einen wertvollen Beitrag zur regionalen Lebensmittelversorgung!
Betriebskooperation
Einige Betriebe kooperieren, indem sie sich Infrastruktur oder Maschinen teilen, andere kooperieren in der Vermarktung oder teilen sich die Betriebszweige auf. So kann zum Beispiel der eine Betrieb die Kühe halten, der andere übernimmt die Milchverarbeitung und der dritte die Vermarktung.
Das Gelingen von gemeinschaftlichen Projekten hängt stark von menschlichen Faktoren ab, wichtig sind auch wirtschaftliche Aspekte: Jeder Mensch ist anders und so anders sind auch Fähigkeiten und Interessen gelagert.
Hofgemeinschaft
Von der Kooperation zwischen getrennten Betrieben zur Kooperation auf einem Betrieb – viele Menschen suchen einen Weg, wieder gemeinsame Strukturen aufzubauen. Und das hat ja Tradition, die erweiterte Großfamilie war lange Zeit das Rückgrat der Betriebe.
Viele Hände können viel erreichen – daher entscheiden sich viele junge Hofübernehmer*innen, die Hofgemeinschaft neu zu definieren und ihren Hof zu öffnen, um gemeinsam mit weiteren Menschen auf Augenhöhe zu wirtschaften.
Praktikum
Viele unterschiedliche Betriebe bieten mit einem Praktikum die Möglichkeit an, fundierte Arbeitserfahrung in der Landwirtschaft zu sammeln. Vom Kennenlernen verschiedener Betriebszweige und Arbeitsschritte bis zum Umgang mit unterschiedlichen Gerätschaften und Maschinen können Interessierte praktisches Wissen erwerben und erweitern.
Betriebsführung und Mitarbeit
Oft werden Betriebe im Eigentum von Stiftungen, Unternehmen, der Kirche, oder Privaten von eigenständig handelnden Betriebsführer*innen oder Mitarbeiter*innen geleitet. Die Anstellung als Betriebsführer*in oder Mitarbeiter*in kann ein regelmäßiges Einkommen bedeuten, ein überschaubares unternehmerisches Risiko und mehr Flexibilität.