Hofübergabe und die Gestaltung des Wohnens –
ein Tanz aus Nähe und Distanz
Eine grundsätzliche Frage ist, ob man als Hofübergeber*in am Betrieb weiterhin wohnen oder wegziehen möchte. Hier scheiden sich die Geister: Für die einen ist es klar, dass man auch den Lebensabend am Hof verbringt. Für die anderen bedeutet die Hofübergabe einen Neustart mit einem Umzug oder dem Bau eines Ausgedinges.
Wenn es um die Gestaltung des Wohnens am Hof geht, ähnelt die außerfamiliäre Hofübergabe der innerfamiliären Hofnachfolge. Wohnen und Arbeiten werden häufig an einem Standort kombiniert. Im Prozess der Hofübergabe werden Menschen auf unterschiedlichen Ebenen verbunden: Die Altbäuerin wird zur Arbeitskollegin, der Übernehmer zum Mitbewohner. Diese Nähe kann Herausforderungen im gemeinsamen Alltag mit sich bringen. Darum muss die Ausgestaltung des Zusammenlebens schon im Vorfeld gut überlegt werden.
Zunächst kann es hilfreich sein, das Bestehende zu sichten. Wer wohnt derzeit wo, wie viel Platz ist vorhanden, kann eine Wohneinheit abgetrennt, verändert oder ausgebaut werden? Wie viel Platz bzw. privaten (Rückzugs-)Raum braucht jede Partei?
Hierbei kann es von Interesse sein, zu klären, ob eine zusätzliche Wohneinheit in Planung ist und wie gebaut werden darf. Je nach baulich-räumlichen wie auch finanziellen Gegebenheiten gibt es viele, unterschiedliche Möglichkeiten der Gestaltung des Wohnens von Jung und Alt. Nach der Sichtung der Rahmenbedingungen am Hof und der Klärung der Bedürfnisse beider Seiten, gilt es, sich für eine Variante des Wohnens zu entscheiden. Die Entscheidung hängt letztlich von den individuellen finanziellen Möglichkeiten und persönlichen Wünschen der jeweiligen bäuerlichen Familie ab.
Getrennte Wohneinheiten als Basis für ein friedvolles Miteinander
Die Erfahrungswerte vergangener Hofübergaben über Perspektive Landwirtschaft haben gezeigt, dass vor allem getrennte Wohnmöglichkeiten mit getrennten Eingängen ein hohes Maß an Lebensqualität für alle Beteiligten bringen. Auch in wissenschaftlichen Arbeiten auf Basis der Untersuchung bäuerlicher Familienbetriebe, wie etwa der Masterarbeit über das Alter(n) im bäuerlichen Betrieb nach der innerfamiliären Hofübergabe von Silvia Maier, zeigen sich ähnliche Erkenntnisse:
“Bäuerinnen sehen im Generationenhaushalt mehr Nachteile als Vorteile und betonen die richtige Entscheidung für das Führen von getrennten Haushalten. Sie sehen dies als Voraussetzung für eine gelingende Beziehung zwischen den Generationen.” (Maier, 2016, S.60)
Auch andere Studien zur außerfamiliären Hofnachfolge arbeiten “das getrennte Wohnen der Generationen” und die “Unterstützung der Familie bei Bau und Sanierungsmaßnahmen nach der Übergabe” neben zahlreichen anderen Aspekten als einen förderlichen Faktor einer gelungenen, außerfamiliären Übergabe heraus. Zudem ist es laut Ergebnissen der Befragungen von Heistinger förderlich:
“[…] keine selbstempfundenen „moralischen“ Verpflichtungen gegenüber den Übergebenden zu haben, eben weil man nicht verwandt ist (Heistinger, 2012, S.115)”
Getrennte Wohnbereiche sind außer- wie innerfamiliär essentiell für ein harmonisches Zusammenleben von Jung und Alt. Die Trennung im Wohnen bietet Rückzugsräume und Privatsphäre für alle Familienmitglieder und erlaubt den Beteiligten im Alltag am Hof zur Ruhe zu kommen. Expert*innen sehen in den eigenständigen Wohnbereichen für die jeweiligen Generationen die Chance, dass jede/r seinen/ihren Platz am Hof findet und gleichsam die Basis für ein gelungenes Zusammenarbeiten:
„Durch die bewusste Getrenntheit in zwei Haushalten und gegenseitige Anerkennung von verschiedenen Lebensentwürfen […] findet wieder jede Person ihren Platz und ihre Rolle. Nun können wieder neue, konstruktive Kontakte und eine neue Zusammenarbeit entstehen.“ (Krammer und Rohrmoser, 2012, S.172)
Die separate Gestaltung der Wohnverhältnisse fördert die Autonomie und die Handlungsfreiräume von Jung und Alt und reduziert potentielle Konfliktsituationen im Alltag.
In Gesprächen mit Bäuerinnen und Bauern hat sich dennoch der Wunsch nach Orten, die das Zusammenkommen der Familie ermöglichen, gezeigt. Das Bedürfnis nach Kontakt und Nähe im gemeinschaftlichen Zusammenleben am Hof ist verständlich und naheliegend. Hof, Garten und Stiegenhaus können Räume der Begegnung sein. Hier ist die zentrale Frage: Wie viel Nähe tut mir gut, wie viel Privatsphäre brauche ich? Wenn beide Seiten – Übergeber*innen und Übernehmer*innen – dieses Bedürfnis verspüren, sollte auch nach der Hofübergabe/Hofübernahme darauf geachtet werden, Räume zu erhalten, die für alle zugänglich sind und wo ein Zusammentreffen erwünscht ist. Weder die übergebende Generation noch die übernehmende sollte sich dazu gezwungen fühlen, einerseits täglich die ganze Familie zu bekochen und andererseits regelmäßig zum Essen zu erscheinen. In Gesprächen mit Bauern und Bäuerinnen sticht nichtsdestoweniger vor allem die Küche der Altenteiler*innen als Treffpunkt für das gemeinsame tägliche Essen hervor.
Wohnen am Hof neu gedacht – Chance für altersgerechtes Wohnen
Die mit der Hofübergabe verbundene Umstrukturierung der baulich-räumlichen Organisation bietet die Chance für die übergebende Generation, die Wohnverhältnisse für das Alter aktiv neu zu gestalten und anzupassen. Bei der Umgestaltung der baulich-räumlichen Organisation sollte bereits die Barrierefreiheit für die Wohneinheiten der Übergeber*innen mitbedacht werden. Nach Möglichkeit empfiehlt es sich aus diesem Grund, den Wohnraum für die übergebende Generation im Erdgeschoss einzuplanen, um altersbedingten Schwierigkeiten in der Mobilität, wie etwa dem Treppensteigen, vorzubeugen.
Klare Verhältnisse schaffen
Bei Neubauten und Umbauten gilt es in jedem Fall, sich die rechtlichen Rahmenbedingungen für die Bebauung im Flächenwidmungs- und Bebauungsplan genauer anzuschauen – diese Informationen können bei Bedarf am örtlichen Gemeindeamt eingeholt werden. Wenn es zu baulich-räumlichen Anpassungen, wie Umbauten und Investitionen in bestehende Strukturen kommt, empfehlen sich schriftliche Abmachungen zwischen den Übergebenden und Übernehmenden. Diese Vereinbarungen schaffen klare Verhältnisse für das kommende Zusammenleben und geben beiden Generationen Sicherheiten für den Fall, dass die Hofnachfolge doch nicht gelingen sollte.
Abschließend lässt sich feststellen, dass die gemeinsame Gestaltung des Wohnens sowie der Alltag am Hof ein “Tanz” zwischen Nähe und Distanz sind. Damit dieser Tanz viel Freude bereitet, braucht es eine gute Abstimmung, ein Aufeinander eingehen, eine gute Aussprache, stabile Abmachungen und eine offene, ehrliche Kommunikation über die eigenen Bedürfnisse als Grundlage für ein gelingendes Miteinander im und nach dem Hofübergabeprozess.