Beruf Landwirt*in – Vom Aussterben bedroht?

 

Kürzlich wurde bei einer Veranstaltung die Frage diskutiert, ob der Beruf des Landwirtes aussterben wird. Im Laufe der Geschichte haben viele Berufe ihre Relevanz verloren und sind heute nahezu vergessen. Der Laternenanzünder, der Pfannenflicker, der Schneider – durch die industrielle Revolution, Elektrifizierung und Massenproduktion wurden viele handwerkliche Tätigkeiten verdrängt. In den letzten Jahren sind Beschäftigte am Bankschalter und an der Supermarktkassa weniger geworden, Übersetzer*innen und Reisebüromitarbeitende sind rar. Wie schaut die Zukunft des Berufes Landwirt*in aus? 

Essen muss man immer, der Erhalt der Kulturlandschaft und die ländlichen Traditionen sind zu wichtig in der Alpenrepublik und hier stößt die Robotisierung an ihre Grenzen, diesen Beruf wird es also immer geben, sagen die einen. Aber der Druck auf die Landwirtschaft durch globale Konkurrenz, Klimawandel und Landflucht sind zu groß, das Höfesterben wird weitergehen und den Beruf verdrängen, sagen die anderen. Einen Beruf retten und Höfe erhalten zu wollen, sei vergeudete Liebesmüh. Schauen wir uns die Argumente auf beiden Seiten an, zunächst aber ein Abstecher zum sogenannten Agrarstrukturwandel.

Strukturwandel quo vadis?

Die Landwirtschaft in Österreich hat in den letzten Jahrzehnten einen erheblichen Strukturwandel durchlaufen. Historische Daten von Statistik Austria zeigen, dass die Anzahl der landwirtschaftlichen Betriebe seit den 1950er Jahren kontinuierlich abgenommen hat. So sind die 1951 gezählten 405.996 landwirtschaftlichen Betriebe bis 2022 auf 127.460 zurückgegangen. Zu den Zahlen sei gesagt, dass sich die Erhebungsuntergrenzen geändert haben. Früher wurden Betriebe ab 1 Hektar gezählt, seit 2020 nur noch ab 3 Hektar. Dennoch sind die Zahlen beeindruckend. Wir haben das Szenario durchgespielt, dass der Rückgang unverändert weitergeht. Wann wird der letzte Betrieb seine Tore schließen? 

Anhand des durchschnittlichen jährlichen Rückgangs von 1,2% würde es theoretisch im Jahr 2452 keine landwirtschaftlichen Betriebe mehr geben. Treiben wir das Zahlenspiel weiter und schauen auf das Jahr 2124, würde es demnach nur mehr 44.873 Betriebe geben. Das ist eine rein hypothetische Rechnung, die keine Änderungen durch politische Maßnahmen, technologische Innovationen oder Markttrends berücksichtigt, sondern linear die Abnahme weiter rechnet. Welche Veränderungen in der Agrarpolitik braucht es, um diesen Trend aufzuhalten? Was braucht es, damit die Anzahl der Betriebe stabilisiert oder sogar erhöht wird? Was können wir von anderen Branchen lernen?

Diese Berufe sind gefährdet

Die Automatisierung und der Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) werden in den kommenden Jahrzehnten erhebliche Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt in Europa haben. Laut einer Analyse des McKinsey Global Institute sind etwa 22% der Arbeitsaktivitäten in der EU bis 2030 durch Automatisierung gefährdet, das entspricht rund 53 Millionen Jobs​. Berufe wie Steuerberater*in und Buchhalter*in sind besonders gefährdet, da viele ihrer Aufgaben automatisiert werden können. Die Wahrscheinlichkeit, dass diese Jobs bis 2030 weitgehend verschwinden, liegt laut besagter McKinsey Studie bei etwa 95%​. Softwarelösungen und Algorithmen, die große Datenmengen analysieren und verarbeiten können, machen diese Tätigkeiten zunehmend überflüssig. Fabrikarbeiter*innen und Maschinist*innen könnten durch fortschrittliche Roboter und Automatisierungssysteme ersetzt werden. Diese Berufe haben eine Automatisierungswahrscheinlichkeit von etwa 90%, da Roboter repetitive Aufgaben effizienter und kostengünstiger ausführen können​. Ähnlich schaut es für Lkw-Fahrer*innen und Lagerarbeiter*innen aus, aufgrund der Entwicklung selbstfahrender Fahrzeuge und automatisierter Lagersysteme. Unternehmen wie Amazon und Tesla arbeiten intensiv an diesen Technologien, um Kosten zu senken und Lieferprozesse zu optimieren.

Im Einzelhandel sind Kassierer*in und Verkäufer*in durch die zunehmende Verbreitung von Selbstbedienungskassen und den wachsenden Online-Handel bedroht. Etwa 80% dieser Jobs könnten bis 2030 automatisiert werden​. Supermärkte und Einzelhandelsgeschäfte setzen zunehmend auf Technologien, die den Personalbedarf reduzieren. Diese Veränderungen haben nicht nur wirtschaftliche, sondern auch soziale Auswirkungen. Besonders hervorzuheben ist der Wandel in der Automobilindustrie, in der tausende Menschen in Deutschland und Österreich beschäftigt sind. Die Umstellung von Verbrenner- auf Elektromotoren hinkt in Europa aber noch hinterher. Während traditionelle Berufe bedroht sind, entstehen auch neue Arbeitsplätze in Bereichen, die höhere Qualifikationen erfordern. Besonders gefragt werden Berufe im Gesundheitswesen, in der Technik und in kreativen Bereichen sein, die nicht so leicht automatisiert werden können. Wie aber steht es um die Landwirtschaft?

Hopfenfeld im Mühlviertel. Credits: Julia Moser

Pro: Der Beruf Landwirt*in wird aussterben

Österreichs Landwirtschaft ist stark durch kleinstrukturierte Betriebe geprägt, die unter immensem wirtschaftlichen Druck stehen, insbesondere im Vergleich zu größeren Agrarunternehmen. Die Automatisierung, mit der Entwicklung von Agrarrobotern, Drohnen und Künstlicher Intelligenz, birgt die Gefahr, den Beruf des Landwirts überflüssig zu machen, oder zumindest den Personalaufwand massiv einzudämmen und kleinere Landwirtschaften zu verdrängen. Zwar kann Automatisierung viele traditionelle Aufgaben übernehmen, doch stößt sie im alpinen Raum an natürliche Grenzen. Das unebene Gelände lässt eine großräumige technologisierte Bewirtschaftung wie in flachen Regionen, beispielsweise in Ostdeutschland, nicht zu. 

Wie in vielen anderen Ländern zieht es auch in Österreich immer mehr junge Menschen in die Städte, wo sie bessere Ausbildungs- und Berufsmöglichkeiten finden. Diese Urbanisierung führt zu einem Mangel an Nachwuchs in der Landwirtschaft und könnte langfristig zur Aufgabe vieler landwirtschaftlicher Betriebe führen. Der Klimawandel stellt eine weitere Bedrohung dar: Temperaturanstieg, Wetterextreme, Veränderungen der Vegetationsperiode und Naturkatastrophen können die landwirtschaftliche Produktion erheblich beeinträchtigen. Ernteausfälle und Schäden werden irgendwann nicht mehr versicherbar sein. Kleinstrukturierte Betriebe haben oft weniger Ressourcen, um sich an diese Herausforderungen anzupassen. Darüber hinaus sind hohe Betriebskosten und der notwendige Investitionsbedarf in neue Technologien und Modernisierungen für viele Höfe eine unüberwindbare Hürde, was ihre Wettbewerbsfähigkeit weiter untergräbt und die Zukunft des Berufs des Landwirts in Österreich gefährdet. 

Dazu kommt, dass kleinere Betriebe Schwierigkeiten haben, im Wettbewerb und Preisdruck der globalisierten Märkte zu bestehen. Knoblauch aus China und Rindfleisch aus Argentinien sind billiger, der Einzelhandel und die Gastronomie begründen das mit der marktwirtschaftlichen Logik, in der eben der Preis zählt. Hier ist der kleinstrukturierte Alpenraum klar im Nachteil und der fortschreitende Strukturwandel könnte viele dieser Betriebe zur Aufgabe zwingen.

Was kosten billige Lebensmittel?

Der Wegfall der Landwirtschaft in Österreich würde erhebliche Auswirkungen auf die Lebensmittelversorgung und die Wirtschaft des Landes haben. Ohne die lokale Produktion müsste Österreich den Großteil seiner Nahrungsmittel importieren, was zu einer erhöhten Abhängigkeit von globalen Märkten führen würde. Diese Importabhängigkeit könnte nicht nur zu höheren Lebensmittelpreisen führen, sondern auch zu Unsicherheiten in der Versorgung, insbesondere in Zeiten globaler Krisen wie Naturkatastrophen oder politischen Unruhen. Die Ernährungssicherheit, die durch die lokale Produktion gestärkt wird, wäre stark gefährdet, was das Land anfälliger für externe Schocks macht.

Darüber hinaus würde das Ende der Landwirtschaft massive wirtschaftliche und soziale Folgen haben. Zahlreiche Arbeitsplätze in der Landwirtschaft selbst sowie in den vor- und nachgelagerten Sektoren wie der Lebensmittelverarbeitung, dem Transport und dem Handel würden verloren gehen. Dies hätte insbesondere für den ländlichen Raum gravierende Konsequenzen, da die wirtschaftliche Basis dieser Regionen geschwächt würde. Der Rückgang der landwirtschaftlichen Aktivitäten könnte zu einer Abwanderung der Bevölkerung, dem Verlust von Infrastruktur und Dienstleistungen sowie einer allgemeinen Entvölkerung führen, was die ohnehin schon strukturschwachen ländlichen Gebiete weiter destabilisieren könnte.

Ein weiterer bedeutender Verlust wäre der Wegfall der Pflege von Kulturlandschaften, die nicht nur einen ästhetischen, sondern auch einen ökologischen und kulturellen Wert haben. Ohne die aktive Bewirtschaftung durch die Landwirtschaft könnten diese Landschaften verwildern oder verbuschen, was negative Auswirkungen auf die Artenvielfalt und die Bodengesundheit hat. Zudem spielen landwirtschaftliche Flächen, insbesondere Weiden und Wälder, eine wichtige Rolle als Kohlenstoffsenken, die zur Minderung des Klimawandels beitragen. Der Verlust der Landwirtschaft würde auch das kulturelle Erbe und den ländlichen Lebensstil gefährden, da viele traditionelle Praktiken, Feste und Lebensweisen, die eng mit der Landwirtschaft verbunden sind, verschwinden könnten. Zudem ist die Landwirtschaft ein wesentlicher Bestandteil des Lawinenschutzes in gebirgigen Regionen; ohne die Pflege der Almen und Weiden könnten die Risiken von Lawinenabgängen deutlich zunehmen, was zusätzliche Gefahren für die betroffenen Regionen mit sich bringen würde.

Contra: Der Beruf Landwirt*in wird nicht aussterben

Geht es nach dem wirtschaftsliberalen Lehrbuch, schaut es also düster aus für die Branche. Aber die Marktlogik ist eben für viele zentrale Aspekte blind: Was passiert mit Gegenden, die durch Abwanderung aussterben, was ist mit globalen Lieferketten, die in Krisenzeiten gefährdet sind? In welcher Landschaft wollen wir leben? Es mag billiger sein, all unsere Lebensmittel in Niedriglohnländern mit begrenzten Umweltauflagen produzieren zu lassen, aber wollen wir das? Außerdem hat die Rechnung einen Haken: Externe Kosten, wie Umweltverschmutzung, Ausbeutung von Arbeitskräften, und Verlust der Biodiversität, werden nicht berücksichtigt.

Die Landwirtschaft hat in Österreich eine lange Tradition und ist tief in der Kultur verankert. Viele österreichische Landwirt*innen sind stolz auf ihre Arbeit und Bräuche, die sie fortführen. Der Erhalt der durch Landwirtschaft geprägten Kulturlandschaft ist ein zentrales Element für die erfolgreiche Tourismusbranche. Zusätzlich nimmt die Nachfrage nach regionalen und nachhaltig produzierten Lebensmitteln stetig zu. Österreichische Landwirt*innen, die sich auf ökologische Anbaumethoden und die Direktvermarktung ihrer Produkte spezialisieren, profitieren von diesem Trend. Solche Nischenmärkte bieten stabilere Einkommensmöglichkeiten und fördern den Erhalt kleiner Betriebe.

Zahlreiche Förderprogramme und politische Maßnahmen versuchen, die Landwirtschaft in Österreich zu unterstützen. Subventionen, Direktzahlungen und Programme zur Förderung nachhaltiger Praktiken helfen, die wirtschaftliche Situation der Landwirt*innen zu stabilisieren und ihre Wettbewerbsfähigkeit zu erhöhen. Dennoch sind die Maßnahmen oft unzureichend, um den Agrarstrukturwandel erfolgreich aufzuhalten, und viele Bauern und Bäuerinnen fühlen sich allein gelassen von Interessenvertretungen und Politik.

In diesem Kontext gewinnen Diversifizierung und Kooperation in der Landwirtschaft an Bedeutung. Die Kombination verschiedener Betriebszweige, Verarbeitung und Veredelung, Direktvermarktung und Urlaub am Bauernhof ermöglichen ein stabiles Einkommen. Aber auch Kooperationen zwischen Betrieben oder mit Konsumentinnen, wie solidarische Landwirtschaften, können zur Kriesenresilienz der Landwirtschaft beitragen. Das stärkt nicht nur die Betriebe, sondern führt auch zu einem lebendigen ländlichen Raum, zu einer starken Region und einer nachhaltigen und attraktiven kleinräumigen Kulturlandschaft. Die Diversifizierung stellt also eine vielversprechende Strategie dar, um den Beruf Landwirt*in in Zeiten wirtschaftlicher und ökologischer Herausforderungen zu sichern. Durch die Erschließung neuer Geschäftsfelder und die Anpassung an veränderte Marktbedingungen können Landwirt*innen ihre Einnahmequellen diversifizieren und ihre wirtschaftliche Stabilität erhöhen.

Fazit

Die Zukunft der Landwirtschaft, die Zukunfts des Berufs in Österreich ist komplex und von vielen Faktoren abhängig. Obwohl wirtschaftlicher Druck, Urbanisierung und Klimawandel erhebliche Herausforderungen darstellen, gibt es starke Argumente dafür, dass der Beruf nicht aussterben wird. Die tiefe kulturelle Verankerung, die wachsende Nachfrage nach regionalen und nachhaltigen Produkten sowie die Unterstützung durch Politik und Gesellschaft sprechen für eine anhaltende Existenz der kleinstrukturierten Landwirtschaft in Österreich. Es wird entscheidend sein, wie gut sich Landwirt*innen an die veränderten Bedingungen anpassen und innovative Ansätze nutzen können, um auch in Zukunft eine zentrale Rolle in der österreichischen Gesellschaft zu spielen. Der Verein Perspektive Landwirtschaft setzt sich dafür ein, dass Bauernhöfe mehr werden und nicht weniger. Wer keine geeignete Nachfolge für seinen Betrieb hat, wird vielleicht auf unserer “Perspektiven-Suche” fündig: Dort gibt es derzeit 450 Steckbriefe von Menschen, die an die Zukunft des Berufes Landwirt*in glauben und über 100 Steckbriefe von Betrieben, die nach einer Nachfolge oder neuen Möglichkeiten der Betriebsgestaltung Ausschau halten.